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'Soziale Bewegungen als Motor des Wandels' – Antonis Schwarz

Felix Oldenburg
von Felix Oldenburg
May 23, 2024 10:29:01 AM

Im Podcast “Das Neue Geben” haben Felix und Janina mit Antonis Schwarz gesprochen. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Gespräch an einigen Stellen gekürzt und angepasst. Das vollständige Interview kannst du dir hier anhören:

Ein Millionenerbe mit der Mission für gesellschaftlichen Wandel

Antonis Schwarz ist Impact Investor, Philanthrop und Aktivist. Und damit: Sicher einer der engagiertesten Millionenerben Deutschlands. Als er mit dem Verkauf des Pharma- Familienunternehmens Schwarz Pharma im Jahr 2006 früh zu einem großen Vermögen kommt, ist für ihn klar, dass er seine Mittel nutzen möchte, um gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.

Zu Beginn seiner Impact Journey arbeitete er bei Ashoka und entschied sich schließlich Teil des Support Netzwerks zu werden. **Nach seinem abgeschlossenen Masterstudium war er Mitbegründer der gemeinnützigen Organisation Vouliwatch, die sich für Transparenz und Bürgerbeteiligung im griechischen Parlament einsetzt. Mit seiner 2016 gegründeten Guerrilla Foundation unterstützt er soziale Bewegungen und Aktivistische Netzwerke, die sich für einen umfassenden Systemwandel in ganz Europa einsetzen. Darüber hinaus ist Antonis Mitbegründer des Center for Sustainable Finance and Private Wealth an der Universität Zürich und engagiert sich gemeinsam mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND e.V.) für die Gründung eines deutschen Social Impact Fonds, der sich über nachrichtenlose Vermögenswerte finanziert. Als Mitglied der Initiativen Millionaires for Humanity und taxmenow setzt er sich für bundesweite und internationale Steuergerechtigkeit ein.

Antonis Schwarz im Interview über Aktivismus und Impact Investing

Hi Toni! Nach deinem Erbe hast du dich früh entschlossen, dein Vermögen für gesellschaftlichen Wandel einzusetzen. Erzähl uns doch gerne, wie deine Impact-Journey angefangen hat.

Ich bin halb Grieche, halb Deutscher und in München aufgewachsen. Meine deutsche Familie gründete nach dem Zweiten Weltkrieg eine Pharmafirma, die 2006 verkauft wurde. Von dem Erlös habe auch ich geerbt. Bis Anfang/Mitte 20 habe ich das Geld jedoch beim Vermögensverwalter gelassen, um möglichst wenig darüber nachzudenken und erstmal zu studieren. Nach meinem Masterabschluss entschied ich mich dann Vouliwatch als gemeinnützigen Organisation in Griechenland zu gründen, die sich mit Transparenz in der dortigen Politik beschäftigt. Dafür habe ich zum ersten Mal größere Geldsummen investiert. Ich zog nach Athen, stellte ein Team ein und inzwischen existiert die NGO über zehn Jahre. Der Umgang mit Vermögen in jungen Jahren war nicht leicht, weil damit oft Schamgefühle verbunden sind. Ich hatte das Geld ja nicht selbst verdient und wollte erstmal mein eigenes Leben führen, ohne auf das Familienvermögen zurückzugreifen. Heute arbeite ich Teilzeit bei Phineo, einer Beratungsgesellschaft für gesellschaftliches Engagement, wo ich mich auf Impact Investing konzentriere. Auch wenn ich den Drang verspüre, mich ausschließlich der Philanthropie und dem Impact Investing zu widmen, schätze ich es, noch einen Fuß in der Realität zu haben.

Was war damals der Impuls für dich, die gemeinnützige Organisation Vouliwatch zu gründen?

Es gab mehrere Impulse, die mich dazu bewegt haben, den Schritt zu gehen. Zum einen war es mein Masterstudium in Management, das stark auf finanziellen Erfolg ausgerichtet war. Der Fokus meiner Kommiliton*innen lag vor allem auf Karrieren im Investmentbanking und der maximalen Geldvermehrung – das stieß mich zunehmend ab. Ich wollte eine andere Richtung einschlagen, unterstützt durch das Erbe, das mir die nötige finanzielle Freiheit gab. Zum anderen spielte meine griechische Herkunft eine wichtige Rolle. Obwohl ich mit einem starken Bezug zu Griechenland aufgewachsen bin, hatte ich über die Jahre immer weniger Kontakt zum Land meiner Mutter. Gleichzeitig zeigten die Medien die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Griechenland sehr deutlich, was mein Gefühl verstärkte, als griechischer Staatsbürger handeln zu wollen. Durch meine Erfahrungen bei BonVenture und mein Wissen in Politikwissenschaften kam die Idee auf, eine NGO zu gründen, die sich wie Abgeordnetenwatch mit Transparenz in der Politik beschäftigt – ein Bereich, der in Griechenland kaum abgedeckt war. Die Entscheidung fiel zu einer Zeit, in der Griechenland im Zentrum globaler Aufmerksamkeit stand, was das Projekt besonders relevant machte.

Guerrilla-Stifter Antonis Schwarz sagt im Podcast ‘Das Neue Geben’: Der wirkliche Motor von sozialen Fortschritt sind eigentlich die sozialen Bewegungen.“

Wie kam es dann zur Gründung der Guerrilla Foundation?

Während meiner Zeit in Griechenland begann ich, verschiedene NGOs zu unterstützen, insbesondere im Bereich der Flüchtlingshilfe und bei internationalen Aktivismusprojekten. Ein wichtiger Moment war 2014, als ich in Kontakt mit Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit kam. Ihre Aktionen zeigten, wie viel Einfluss man mit relativ wenig Mitteln im gesellschaftlichen Diskurs erzielen kann, was mich stark inspirierte. Mir wurde klar, dass es mehr Geldgeber*innen braucht, die auch unkonventionelle und provokante Initiativen fördern. Durch meine Arbeit mit der Bewegungsstiftung, die soziale Bewegungen unterstützt, erhielt ich erste Einblicke in das Konzept der Social Justice Philanthropy. Besonders inspiriert hat mich Fahad Ibrahimi von der Chorus Foundation in den USA, der ebenfalls soziale Bewegungen unterstützt.. Für mich stand fest: Der wirkliche Motor von sozialen Fortschritt sind eigentlich die sozialen Bewegungen. Als wir die Guerrilla Foundation gründeten, stellte ich Romy Krämer als Geschäftsführerin ein, die diese Position auch heute noch innehat. Anfangs förderten wir Social Entrepreneurship und Flüchtlingshilfe, konzentrierten uns dann jedoch ausschließlich auf die Unterstützung sozialer Bewegungen und Aktivist*innen. Privat engagiere ich mich weiterhin in der Flüchtlingshilfe. Die Grundidee der Guerrilla Foundation basiert auf der Überzeugung, dass Graswurzelbewegungen, insbesondere in ihren frühen Phasen, zu wenig finanzielle Unterstützung erhalten. Viele Aktivist*innen arbeiten ehrenamtlich neben ihrem eigentlichen Job, was oft zu Überlastung und Burnout führt. Wir möchten diese Lücke schließen und unterstützen vor allem Bewegungen in osteuropäischen und südosteuropäischen Ländern, wo es besonders wenig Fördermittel gibt.

“Was es braucht, sind Vernetzungs- und Bildungsangebote” - Antonis Schwarz über die Herausforderungen für gesellschaftliches Engagement zu inspirieren

 

Wie schaffst du es andere Menschen für gesellschaftliches Engagement zu inspirieren?

Ich organisiere einen virtuellen Stammtisch für vermögende Personen in Deutschland, bei dem wir uns regelmäßig über Impact-Investing austauschen. Zusätzlich veranstalte ich jährlich ein Impact Investor Gathering auf Samos, bei dem etwa 10 bis 20 Personen zusammenkommen. In der Philanthropie haben wir vor eineinhalb Jahren mit der Guerrilla Foundation ein partizipatives Modell eingeführt. Dabei treffen das Team und der Activist Council, bestehend aus 12 Aktivist*innen, die Entscheidungen über Spenden - ohne meine direkte Beteiligung. Aktuell fließen über 1,9 Millionen Euro in die Stiftung, einschließlich meines Beitrags von 750.000 Euro. Zudem haben wir eine Plattform, auf der wir uns über unsere Geldgeschichten austauschen. Ich glaube, was es braucht, sind Vernetzungs- und Bildungsangebote. Die Universität Zürich bietet zum Beispiel, in Kooperation mit dem MIT, den Kurs „Impact Investing for the Next Generation“ an. Dort lernt man sowohl das nötige Fachwissen als auch Gleichgesinnte kennen, mit denen man sich austauschen kann. Dieser Kurs ist für mich der Goldstandard im Bereich Impact Investing. Es ist wichtig, seinen eigenen Weg zu finden und sich kontinuierlich weiterzubilden.

Welche langfristige Vision verfolgst du für deine Projekte und Engagements?

Das ist eine interessante Frage. Mein Weg war oft durch Zufälle und unerwartete Bekanntschaften geprägt. Momentan stehe ich vor der Herausforderung, mein Geld sinnvoll zu verwalten, ohne es unbedacht auszugeben. Auch wenn ich über Vermögen verfüge, sind meine Mittel begrenzt, und ich überlege sorgfältig, wie ich sie mit möglichst großem Impact einsetzen kann. Derzeit arbeite ich an einem Projekt in Griechenland, das sich mit der Förderung von Mehrwegbechern beschäftigt. In Griechenland ist dieses Konzept noch nicht weit verbreitet, im Gegensatz zu Initiativen wie Recap oder Vital, die in anderen Ländern bekannter sind. Ich setze mich dafür ein, Mehrwegbecher in Beachbars, Hotels und Veranstaltungen populärer zu machen. Auch wenn dieses Projekt nicht besonders groß ist, investiere ich viel Zeit und Energie darin. In Griechenland erfordert das Starten solcher Projekte erheblichen Aufwand und Geduld.

Welches aktuelle gesellschaftliche Problem beschäftigt dich besonders stark?

Die Politik der griechischen Regierung bezüglich Flüchtlingen ist besorgniserregend. In Samos, wo wir ein Sommerhaus haben, wurde ein neues Flüchtlingslager mit EU-Geldern in Höhe von über 40 Millionen Euro gebaut. Wenn Flüchtlinge dort ankommen, müssen sie 2-3 Wochen in einer Art Isolation verbringen, ohne neue Kleidung zu erhalten. Sie müssen also in den gleichen Klamotten bleiben, in denen sie angekommen sind. Dies ist nur ein Beispiel für die schwierigen Bedingungen, die sie durchleben müssen. Es gibt noch viele andere Herausforderungen und harte Erfahrungen, mit denen die Menschen dort konfrontiert sind.

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Jetzt reinhören!

Wenn du noch mehr über Antonis Engagement und Ansichten hören möchtest, kannst du dir das komplette Interview als Podcast anhören. Die Podcastfolge findest du weiter oben oder auf Spotify.

Bei Fragen und Anmerkungen schreib uns gerne unter ⁠community@bcause.com⁠.

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Felix Oldenburg
Artikel von Felix Oldenburg
May 23, 2024 10:29:01 AM
Felix ist CEO bei bcause und schreibt darüber, wie Menschen sich heute stärker und besser finanziell engagieren. Der Vorstandssprecher der gut.org hat zuvor als Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen die Welt der Stiftungen und als Europachef von Ashoka die Social Entrepreneurship-Bewegung maßgeblich mitgestaltet.