Hey Anna, wieviel Geld darf man mit dem Guten verdienen?
Im Podcast “Das Neue Geben” haben Felix und Janina mit Anna Alex gesprochen. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Gespräch an einigen Stellen gekürzt und angepasst. Das vollständige Interview kannst du dir hier anhören:
Visionärin zwischen Wirtschaft und Naturschutz
Anna Alex ist Seriengründerin, Unternehmerin und Investorin mit einem klaren Fokus auf Klima- und Naturschutz. Nach ihrem Studium der Soziologie und Psychologie in Freiburg und Paris startete sie ihre Karriere als Mitgründerin des Shopping-Services Outfittery. Später widmete sie sich dem Thema Nachhaltigkeit und gründete gemeinsam mit Benedikt Franke Planetly, eine Plattform für Carbon Management, die sie erfolgreich verkaufte. Mit ihrem aktuellen Projekt Nala Earth legt sie als Mitgründerin den Fokus auf Biodiversität, indem sie die Auswirkungen auf die lokale Artenvielfalt und Natur für Unternehmen messbar macht. Als Angel-Investorin im Climate-Tech-Bereich unterstützt sie innovative Projekte und fördert mit ihrer Foundation, dem Wild & Free Animal Fund, Organisationen die sich gegen Massentierhaltung engagieren. Darüber hinaus ist Anna im Beirat der "Jungen Digitalen Wirtschaft" des Bundeswirtschaftsministeriums tätig. Sie wurde als eine der "Inspiring Fifty" Europas, zu den „most inspiring women in tech“ und in die "Junge Elite - Top 40 unter 40" gewählt.
Anna Alex spricht im Interview über ihren ‘Blumenstrauß an Engagements’
Hi Anna! Wie hat sich deine Beziehung zu Geld entwickelt, und wann hast du gemerkt, dass du es nutzen kannst, um Gutes zu schaffen?
Ich bin ohne finanziellen Rückhalt aufgewachsen, und wie es oft ist, wird Geld gerade dann ein Thema, wenn es fehlt. Für mich wurde es später in der Startup-Szene besonders präsent. Damals war das noch kein etablierter Karriereweg, und meine Verwandten hatte große Bedenken, als wir plötzlich in einem Umfeld mit Millionenbeträgen agierten. Natürlich war das nicht mein Geld, sondern Firmenkapital, aber genau da habe ich verstanden, dass Geld ein Werkzeug sein kann, um Ideen in die Realität umzusetzen und etwas Größeres als Geld selbst zu erschaffen. Das hat mich fasziniert und dazu gebracht, Unternehmerin zu werden – eine Rolle, die ich bis heute mit Leidenschaft verfolge.
Später, als ich meine zweite Firma Planetly verkauft habe, hat sich mein Verhältnis zu Geld weiter verändert. Es war das erste Mal, dass ich Geld selbst erarbeitet hatte, ohne den Druck von Erwartungen oder Erbschaften. Das hat mir eine große Leichtigkeit im Umgang damit gegeben. Natürlich können Finanzierungsrunden im Aufbau von Start-Ups auch sehr herausfordernd sein. Von außen sieht es oft nach einer geradlinigen Erfolgsgeschichte aus, die nur nach oben geht, aber das ist selten der Fall. Hinter jeder Finanzierungsrunde stehen unzählige Absagen, bevor ein*e Investor*in zusagt. Unternehmen zu bauen, bedeutet immer Höhen und Tiefen – und manchmal sind die Tiefen ziemlich tief. Dennoch habe ich von Anfang an bei allen meinen Unternehmen mit Investor*innen zusammengearbeitet, da mir ein gutes Geschäftsmodell ebenso wichtig war wie ein starker Purpose, der die Welt ein Stück besser macht. Mit diesem Anspruch war ich lange Zeit ziemlich alleine – doch genau das hat mich motiviert.
“Je mehr Ressourcen wir zur Verfügung haben, desto größer kann unser Impact werden.” - Anna Alex über ihren unternehmerischen Ansatz mit Planetly
Was denkst du, wieviel Geld darf man mit dem Guten verdienen? Und welche Herausforderungen begegnen dir dabei?
Ich denke, wir müssen uns zuerst bewusst machen, in welchem System wir aufgewachsen sind. Eine Welt, in der riesige Konzerne gigantische Summen verdienen, oft auf Kosten der Umwelt und Gesellschaft, ohne dass ihre Methoden hinterfragt werden. Gleichzeitig stehen Non-Profit-Organisationen mit vergleichsweise winzigen Budgets da und tragen die Verantwortung, die Welt zu retten. Dieses Ungleichgewicht wird als normal wahrgenommen, aber wenn man einen Schritt zurücktritt, merkt man schnell, wie absurd es eigentlich ist.
Luisa Neubauer hat es einmal treffend formuliert: „Wenn die einen Vollzeit die Welt zerstören, können die anderen sie nicht Teilzeit retten.“ Und genau das beschreibt das Problem.
Rückblickend habe ich in meinen ersten Gründungen – sei es bei Rocket Internet oder Outfittery – die Liebe zum Unternehmertum entdeckt. Die Fähigkeit, Geld in ein funktionierendes Unternehmen mit einem Geschäftsmodell zu verwandeln, hat mich begeistert. Aber mir war immer klar, dass meine Lebenszeit kostbarer ist als alles Geld, das ich verdienen könnte. Es hätte für mich nie gereicht, nur auf Profitmaximierung hinzuarbeiten. Mit Planetly haben wir versucht, beides zu vereinen: ein starkes Geschäftsmodell und einen starken Purpose. Denn wir glauben, dass diese Kombination mehr bewirken kann als eines allein. Es ist nicht immer einfach, und nicht jedes soziale oder ökologische Problem lässt sich durch ein Geschäftsmodell lösen. Aber es funktioniert in weit mehr Fällen, als wir vor zehn Jahren gedacht hätten. Unser Ansatz war dabei klar: Je mehr Ressourcen wir zur Verfügung haben, desto größer kann unser Impact werden. Dafür hatten wir folgendes Motto: Impact = Purpose × Time × Scale. Ein toller Purpose bringt wenig, wenn er nicht skaliert wird und in der Wirkung klein bleibt. Wir haben die Erfahrungen aus der klassischen Startup-Welt genommen und sie mit unseren Werten verbunden, um eine Zukunft zu gestalten, die wir wirklich für lebenswert halten.
“Vieles, was heute offensichtlich falsch erscheint, wie Plastikverpackungen oder der Umgang mit Retouren, schien damals ganz normal. Es war eine andere Denkweise, bei der Business und Nachhaltigkeit oft als getrennte Welten gesehen wurden.” - Anna Alex über ihre Zeit bei Outfittery
Hast du bei Outfittery schon versucht, eine nachhaltige Mission einzubringen, oder hat sich dein Fokus auf Impact erst später entwickelt?
Bei Outfittery lag der Fokus nicht auf Nachhaltigkeit – im Rückblick habe ich damals wenig über diese Themen nachgedacht. Vieles, was heute offensichtlich falsch erscheint, wie Plastikverpackungen oder der Umgang mit Retouren, schien damals ganz normal. Es war eine andere Denkweise, bei der Business und Nachhaltigkeit oft als getrennte Welten gesehen wurden.
Der Wendepunkt kam später: Einerseits durch die Geburt meiner Kinder, die meinen Planungshorizont deutlich erweitert hat, und andererseits durch ein wachsendes Selbstbewusstsein als Unternehmerin, bestehende Regeln infrage zu stellen. Die Idee von Plantely entstand dann 2019, als wir sahen, dass sich Unternehmen wenig mit ihrem Einfluss auf das Klima auseinandersetzen. Mit unserer Software konnten wir Unternehmen dabei helfen, ihren CO₂-Fußabdruck zu messen und klare Strategien für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln. Planetly wuchs schnell – in zwei Jahren arbeiteten wir mit 350 Unternehmen zusammen und hatten ein fantastisches Team von 250 Mitarbeitenden. Doch nach unserem Verkauf in die USA 2021 änderten sich die Pläne des Käufers und führten leider dazu, dass Planetly ein Jahr später geschlossen wurde. Trotz dieser schmerzlichen Erfahrung stehe ich weiter hinter der Idee, Purpose und Geschäftsmodell zu vereinen. Es hat mich darin bestärkt, mit meinem neuen Projekt Nala erneut an dieser Mission zu arbeiten.
Hattest du nach dem Verkauf von Planetly das Gefühl, mit dem Erlös jetzt erst recht Impact schaffen zu müssen?
Ja, dieses Gefühl hatte ich definitiv. „Jetzt erst recht“ war für mich eine klare Motivation. Ich denke, wenn Menschen, die Impact-getrieben sind, über viel Geld verfügen, können sie damit Sinnvolles bewirken – oft mehr als andere.
Auf einer Konferenz in England, bei der es um Geld ging, habe ich mit anderen Startup-Gründer*innen darüber gesprochen. Dabei wurde mir klar, dass ich mir wünsche, dass genau diese Menschen die Ressourcen bekommen, weil ich weiß, dass sie damit etwas Gutes schaffen werden. Für mich war von Anfang an klar: Der Verkauf war kein Abschluss, sondern ein neuer Anfang. Geld zu verdienen ist nicht das Ziel, sondern die Grundlage, um noch mehr positive Veränderungen zu bewirken.
“Unternehmen haben, ähnlich wie beim Klima, auch in der Biodiversitätskrise den größten Hebel.” - Anna Alex
Wie ist die Idee zu Nala entstanden, und wie fügt sich der Wild and Free Animal Fund in deine Vision ein?
Mit Nala haben wir uns die Mission gesetzt, die Natur ins Zentrum von Unternehmensentscheidungen zu bringen – sie messbar und wirtschaftlich greifbar zu machen. Unternehmen haben, ähnlich wie beim Klima, auch in der Biodiversitätskrise den größten Hebel. Der Verlust der Artenvielfalt ist erschreckend: In den letzten 50 Jahren haben wir etwa 70 % unserer Tiere, Insekten und Vögel verloren. Das liegt unter anderem an Pestiziden und daran, dass wir der Natur immer mehr Lebensraum wegnehmen. Gleichzeitig hängt unser gesamtes Wirtschaften von den Dienstleistungen der Natur ab: Luftreinigung, Wasserversorgung, Bestäubung – ohne sie wären 70 % unserer Obst- und Gemüsesorten verschwunden. Parallel dazu habe ich den Wild and Free Animal Fund gegründet. Damit unterstütze ich Organisationen, die sich dafür einsetzen, Nutztiere aus der Nahrungskette herauszunehmen. Ein Beispiel ist das Good Food Institute, das Lobbyarbeit dafür macht, dass vegane Alternativen als „Burger“ bezeichnet werden dürfen.
Ich habe gelernt, dass es beide Ansätze braucht: For-Profit-Lösungen wie Nala, die skalieren und wirtschaftliche Anreize schaffen, und Non-Profits wie den Wild and Free Animal Fund, die sich wichtigen Themen widmen, die nicht rein wirtschaftlich gelöst werden können. Mein Engagement gleicht mittlerweile einem Blumenstrauß: Start-up, Stiftung, Beratung bei großen Konzernen und die Arbeit im Nachhaltigkeitsbeirat eines Mittelständlers - Diese Vielfalt genieße ich sehr.
Gemeinsam für einen wirksamen Tierschutz
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Jetzt reinhören!
Wenn du noch mehr über Annas Engagement und Ansichten hören möchtest, kannst du dir das komplette Interview als Podcast anhören. Die Podcastfolge findest du weiter oben oder auf Spotify.
Bei Fragen und Anmerkungen schreib uns gerne unter community@bcause.com.
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Tags:
PodcastDec 4, 2024 3:47:18 PM