Ein Kommentar von Felix Oldenburg, ehemals Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen.
Klimakrise, Demokratiedefizite oder globale Spannungen. In einer Zeit, in der gesellschaftliches Engagement und wirkungsvoll eingesetztes privates Vermögen unverzichtbar ist, erscheint es um so mehr paradox, dass immer weniger Menschen eine gemeinnützige Stiftung gründen. So steht es aber in einem Bericht des Bundesverband deutscher Stiftungen aus diesem Jahr.
Die Grundidee einer gemeinnützigen, privaten Stiftung ist eigentlich bestechend: Ein Vermögensgegenstand wird auf ewig einem guten Zweck gewidmet. Dabei kann es sich um Geld handeln- im historischen Ursprung ging es aber meist um Land, Gebäude oder Kulturgüter, die einen so großen Wert für die Allgemeinheit darstellen, dass sie vor der Zweckentfremdung durch zukünftige Generationen oder insbesondere den Staat geschützt werden sollten.
Neben der Grundidee hat das Gründen einer gemeinnützigen Stiftung allerdings auch einige Nachteile. Denn möchte man heute ein Vorhaben in die Tat umsetzen stellt man schnell fest, dass gemeinnützige Stiftungen leider oft auch für ein komplexes Netzwerk aus Dienstleistern, starre Regulierungen und nicht unerhebliche Einschränkungen stehen.
Doch der Reihe nach: Das Bestreben, wie oben bereits angedeutet, einen Teil seines Geldes für den guten Zweck arbeiten zu lassen, ist der Kern jeder gemeinnützigen Stiftung. Um dieses Vorhaben umzusetzen, braucht es für mich insbesondere drei Dinge:
Eine gemeinnützige Stiftung muss transparent sein. Sie muss für Außenstehende nachvollziehbar über ihre Aktivitäten, Finanzen und Entscheidungen kommunizieren und gegenüber ihren Stakeholdern Rechenschaft ablegen: Welche Ziel-Organisationen oder Projekte haben wann, welche Summe aus der Stiftung erhalten? Die öffentliche Wahrnehmung von Stiftungen ist zwiespältig: Die meisten Menschen verbinden mit Stiftungen einerseits etwas Solides, aber denken auch an Steuersparmodelle und persönliche Eitelkeit. Deswegen ist es wichtig, die Arbeit der Stiftung nicht durch komplexe Strukturen zu verschleiern, sondern durch transparente Kommunikation aufzuklären, wofür das eingelegte Geld eingesetzt wird. Dies schafft Vertrauen bei Spendern, Unterstützerinnen und der Öffentlichkeit, und ermöglicht es so der Stiftung, ihre Legitimität und Glaubwürdigkeit zu wahren.
Geld auf ewig an einen guten Zweck zu binden, ist die Grundidee der gemeinnützigen Stiftung. Das der gute Zweck von Bildungsinitiativen über die Unterstützung von lokalen Projekten bis hin zu globalen Klimaschützern gehen kann, liegt auf der Hand. Gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen und mit privatem Vermögen zu ihrer Überwindung beizutragen, ist dabei definitiv zeitkritisch. In einer Zeit, in der die Kosten des Nichts-Tuns (aus dem Englischen: Cost of doing nothing), dafür sorgen, dass die Lösungen für globale Herausforderungen zwei bis sechs Mal, spielen eben dieser zeitliche Rahmen, in welchem das Geld wirkt, sowie Flexibilität und Handlungsspielraum, den Stiftungszweck langfristig an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen eine entscheidende Rolle. Die Welt verändert sich ständig, und erfolgreiche Stiftungen müssen in der Lage sein, sich anzupassen, um auf neue Herausforderungen und Entwicklungen zu reagieren. Dies erfordert kontinuierliche Verbesserung, offenen Dialog, sowie die Bereitschaft, bestehende Strategien und Programme anzupassen und sie zu überarbeiten, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Denn darum geht es am Meisten bei der gemeinnützigen Stiftung: um Wirkung.
Wenn man Gutes tut, honoriert das der Staat. Vermögen, das in eine gemeinnützige Stiftung eingelegt wird, ist steuerabzugsfähig. Das bedeutet, dass sowohl die Stiftenden selbst als auch Dritte, die zusätzliche Zustiftungen leisten, von steuerlichen Vorteilen profitieren. Durch diese steuerlichen Anreize fördert der Staat das Engagement für gemeinnützige Zwecke und ermutigt Menschen, mehr zu spenden und sich stärker in wohltätigen Projekten zu engagieren. So entsteht eine Win-win-Situation: Die Stiftung erhält mehr Mittel, um ihre gemeinnützigen Ziele zu verfolgen, und die Spender*innen profitieren von Steuererleichterungen.
Kurzum: Die gemeinnützige Stiftung soll als ein Vehikel dienen, das eine bestimmte Summe an Geld für soziale und ökologische Zwecke verwendet und dies idealerweise flexibel, transparent und für alle Beteiligten steuerabzugsfähig.
Im Folgenden möchte ich auf ein paar Hürden eingehen, die aus meiner Erfahrung als ehemaliger Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen oft Themen und Gedanken von angehenden Stiftenden darstellen. Diese Punkte zeigen auf, warum das Konzept gemeinnütziger Stiftungen möglicherweise eine grundlegende Überarbeitung benötigt.
Ein wesentlicher Stolperstein auf dem Weg zur Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, ist das undurchsichtige Geflecht von Dienstleistern, die komplexe Lösungen für das zu verwendende Vermögen anbieten. Von Vermögensverwaltern über Rechtsanwälte bis hin zu Steuerberatern – die Auswahl und Koordination dieser Experten kann zu einer zeitraubenden und kostspieligen Angelegenheit werden.
🤔 Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, man müsste bei der Auswahl eines Smart Home Systems erst zahlreiche Fachleute wie Elektriker, IT-Spezialisten und Sicherheitsexperten konsultieren und koordinieren. Dieser Prozess wäre nicht nur kompliziert und teuer, sondern würde viele davon abhalten, die Lösung überhaupt in Betracht zu ziehen.
Ähnlich verhält es sich mit der Gründung einer gemeinnützigen Stiftung. Ein paar Beispiele sind:
Die Koordination dieser Dienstleister erfordert erhebliche finanzielle Mittel und viel Zeit, was viele potenzielle Stifter*innen abschreckt. Dabei ist der Gedanke grundsätzlich gar nicht so komplex, ein Teil seines Vermögens langfristig für eine gute Sache einzusetzen, wie es dieser komplexe und teure Prozess vermuten lässt.
Statt sich ihm zu unterziehen, suchen viele Menschen aus gegebener Dringlichkeit nach einfacheren und flexibleren Möglichkeiten, Gutes zu tun. Um das Stiften attraktiver zu machen, braucht es eine klare Lösung, die ohne hohen Beratungsaufwand, rechtliches Know-How und immense Kosten auskommt.
Bei gemeinnützigen Stiftungen ist es oft so, dass das Hauptvermögen unangetastet bleibt und schlummert, während nur die Erträge aus dem angelegten Vermögen für die gute Sache verwendet werden. Das bedeutet, dass nur die Zinsen und Dividenden – die „Brotkrümel“ des Kapitals – genutzt werden dürfen. Dies soll sicherstellen, dass die Stiftung a) langfristig bestehen kann, b) immer eine stabile finanzielle Basis hat und c) auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten handlungsfähig bleibt.
In der Folge wird das eingelegte Kapital "eingesperrt", um kontinuierlich Erträge zu generieren, die dann für die gemeinnützigen Zwecke genutzt werden können. Durch diesen Ansatz wird verhindert, dass die Stiftung ihr Vermögen aufbraucht und irgendwann nicht mehr in der Lage ist, ihre wohltätigen Projekte zu unterstützen. So bleibt das Fundament der Stiftung stabil und gewährleistet, dass sie auch in Zukunft Gutes tun kann, unabhängig von konjunkturellen Schwankungen oder Marktkrisen.
Aber hier liegt der Haken: In Zeiten niedriger Zinsen oder wirtschaftlicher Unsicherheiten können diese Erträge ziemlich mager ausfallen. Das führt dazu, dass das Budget für Projekte oft knapp ist, während das eigentliche Vermögen unangetastet bleibt. Ergo haben Stiftungen wenig Handlungsspielraum für das, was das eigentliche Ziel ist: die Wirkung.
In Kombination mit der oben beschrieben Infrastruktur bedeutet das, dass Stiftungen oft teure Vermögensverwalter und Berater engagieren müssen, um das Beste aus den Erträgen herauszuholen. Das macht den gesamten Prozess noch komplizierter und kostspieliger, was die gemeinnützige Stiftung als Option schlicht unflexibler macht,. Eine klarere, einfachere Lösung ohne hohen Beratungsaufwand und immense Kosten könnte hier viel attraktiver sein.
Eine häufig gestellte Frage ist, ob der anfänglich festgelegte Stiftungszweck geändert werden kann. Die Antwort darauf ist in den meisten Fällen ein klares Nein.
Der Stiftungszweck kann in der Regel nicht geändert werden. Er spiegelt den Willen des/ der Stifter:in wider und gibt der Stiftung ihre Richtung vor. Alle Entscheidungen der Stiftungsorgane müssen sich zwangsläufig daran orientieren und der Zweck bleibt dauerhaft bestehen und kann im Laufe der Zeit nicht geändert werden, es sei denn er ist ganz grundsätzlich nicht mehr zu erreichen. Dies bedeutet folglich, dass das Vermögen einer Stiftung dauerhaft an einen spezifischen Zweck gebunden ist, der bei der Gründung festgelegt wurde.
Selbst wenn sich gesellschaftliche Bedürfnisse oder die Prioritäten der Stifter im Laufe der Zeit ändern, bleibt die Stiftung verpflichtet, das Vermögen gemäß dem ursprünglich festgelegten Zweck zu verwalten und einzusetzen. So kann eine Stiftung, die vor vielen Jahren mit dem Ziel der Bildung gegründet wurde, nicht einfach ihre Mittel umschichten, um beispielsweise Umweltprobleme anzugehen.
Möchte man mit seinem Vermögen also zeitlich flexibel und als Reaktion auf globale Krisen handeln, ist die gemeinnützige Stiftung so keine optimale Lösung dafür.
Um gemeinnützige Stiftungen attraktiver zu machen, sollten drei Schlüsselaspekte angegangen werden.