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Sebastian Klein: Warum wir jetzt handeln müssen, um heutige Probleme zu lösen

Geschrieben von Felix Oldenburg | May 15, 2024 2:42:59 PM

Im Podcast “Das Neue Geben” haben Felix und Janina mit Sebastian Klein gesprochen. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Gespräch an einigen Stellen gekürzt und angepasst. Das vollständige Interview kannst du dir hier anhören:

Vom Startup-Gründer zum Wegbereiter für systemischen Impact

Sebastian Klein ist Serienunternehmer, Autor und Psychologe. Er ist Mitbegründer der Plattform Blinkist und entschied sich nach dem Exit, 90% seines Privatvermögens in gemeinnütze Zwecke zu investieren. Darüber hinaus wirkte er an dem Aufbau von TheDive mit, wo er das Transformations-Framework "The Loop Approach" mit dem gleichnamigen Buch entwickelte. Aktuell widmet Sebastian sich mit dem Printmagazin “Neue Narrative” und dem selbstorganisierten, menschenzentrierten Medienunternehmen NN Publishing, den Zukunftsvisionen der Arbeit. Zudem setzt er mit seiner Investmentfirma Karma Capital neue Impulse im Finanzsektor, weg von der Gewinnmaximierung, hin zu einem möglichst hohen systemischen Impact.

”Das Neue Geben” empfängt seinen ersten Gast: Blinkist-Gründer Sebastian Klein

Hi Sebastian! Du hast nicht nur erfolgreiche Unternehmen aufgebaut, sondern auch einen großen Teil deines Vermögens in gemeinnützige Projekte investiert. Wie bist du denn eigentlich mit Geld in Verbindung gekommen und wie ist dein Bezug zu Geld?

Meine Geldgeschichte beginne ich am besten ganz von vorne. Ich habe erst spät gemerkt, dass ich relativ privilegiert aufgewachsen bin. Wir hatten ein eigenes Haus und sind jedes Jahr in den Urlaub gefahren. Meine Eltern waren dennoch sparsam und ich musste immer arbeiten, weil ich auch die Veranlagung hatte, einfach alles auszugeben. Für mich war Geld stets ein Mittel, um Dinge zu ermöglichen, die Spaß machen. Mit Mitte 30 kam dann der Moment, an dem ich, anstatt ständig dem Geld hinterherzurennen, plötzlich mehr zur Verfügung hatte und überlegen musste: Will ich damit jetzt in irgendwelche Firmen investieren? Was mache ich eigentlich mit dem Geld? Ich hatte viel über Ungleichheit gelesen und den Wunsch, nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein. Persönlich finde ich es beschämend, in so einem reichen Land zu leben und gleichzeitig zu sehen, dass die Hälfte der Bevölkerung über keinen Besitz verfügt. Das ist eine erschreckende Zahl. In Deutschland betrifft das etwa 40 Millionen Menschen, obwohl wir als Land unglaublich wohlhabend sind. Diese Ungleichheit möchte ich, auch aus Eigennutz heraus, gerne ändern. Weil die Gesellschaft für uns alle schlechter ist, wenn wir so ein hohes Maß an Ungleichheit haben. Im Zuge meines Exits bei Blinkist habe ich daher beschlossen, 90 Prozent meines Privatvermögens abzugeben und in eine gemeinnützige Struktur zu überführen, wo es hoffentlich eine positive Wirkung entfalten kann, jedoch nicht länger Teil meines Privatvermögens ist.

Wie hat sich dein Verhältnis zu Geld nach dem Blinkist-Exit verändert, und welche Antworten hast du für dich gefunden?

Ich hatte nie ein besonders positives Bild davon, dass es in irgendeiner Weise besser wäre, reich zu sein. Allerdings muss ich sagen, dass ich dieses Gefühl, ständig dem Geld hinterherlaufen zu müssen, als sehr unangenehm empfunden habe. Als ich jedoch finanziell abgesicherter war, fühlte ich mich wieder unfrei, weil ich mich plötzlich ständig fragte, ob mein Geld gut angelegt ist und wie ich es weiter vermehren und optimieren könnte. Insofern empfinde ich Armut als das deutlich schlimmere Schicksal. Dennoch war es mir immer wichtig, darauf zu achten, welche Wirkung das Geld entfaltet. Wenn es bei der Bank liegt oder in Aktien investiert ist, hat es ja eine gewisse Wirkung. Den Gedanken fand ich auch immer ein bisschen unangenehm, da ich jetzt verantwortlich dafür bin, dass dieses Geld insgesamt eine positive Wirkung hat und nicht am Ende nur meinen CO2-Flussabdruck vervielfacht. Daraufhin habe ich entschieden, mein ganzes Privatvermögen in eine gemeinnützige GmbH zu überführen und wobei ich mir vorbehalte, daraus später lediglich zehn Prozent als Altersvorsorge zu entnehmen. Mir ist es wichtig, dieses Projekt gemeinsam mit anderen zu entwickeln, um zu vermeiden, dass eine einzelne Person – insbesondere ein weißer Mann – allein entscheidet, wie das Geld im Sinne der Gesellschaft verwendet wird. Der Geldbetrag ist nicht so groß, dass man über einen langen Zeitraum hinweg jedes Jahr signifikante Summen spenden könnte. Daher habe ich beschlossen, aus dieser Gemeinnützigkeit heraus einen Medienfonds für gemeinwohlorientierte Medienunternehmen zu gründen. Dabei geht es darum, wirtschaftlich zu investieren, jedoch ohne Renditeorientierung.

Hast du darüber nachgedacht, die drei Millionen so anzulegen, dass sie sich innerhalb von zehn Jahren verdoppeln, um dann mit sechs Millionen einen größeren Einfluss zu erzielen?

Ich habe mich eher gefragt, was das Worst-Case-Szenario sein könnte. Für mich ist dieses Worst-Case-Szenario, dass wir in 30 Jahren da sitzen und sagen: “So, Mensch, das mit der Klimakrise haben wir total verpennt, jetzt kann man hier nirgends mehr ordentlich leben.” Die AfD könnte irgendwann die Bundeskanzler*in gestellt haben und ich habe ein schönes Vermögen angehäuft, das ich in so einer Gesellschaft vererben kann. Meine Kinder würden dann vermutlich sagen: “Hättest du lieber mal das Geld aufgegeben und mehr dafür getan, dass wir eine gute Lebensgrundlage haben.” Den Gedanken, das Geld anzulegen, kann ich nachvollziehen, aber für mich ergab das wenig Sinn. Wir haben diese Probleme jetzt und nicht erst in zehn Jahren. In unserer westlichen Kultur ist “irgendwann dann” generell eine Haltung, die dem Streben nach Glück entgegensteht - Wir möchten ja jetzt glücklich sein und nicht erst irgendwann.

Es ist sogar noch schlimmer: Laut einer Studie des Roten Kreuzes zu den „Cost of Doing Nothing“ wird es zwei bis sechs Mal teurer, die heutigen Klimaprobleme in der Zukunft zu lösen.

Was möchtest du denn in zehn Jahren mit deinem Geld erreicht haben?

Meine Hoffnung ist, dass in zehn Jahren dieses Konzept zum Standard geworden ist. Ich nenne es regeneratives Kapital - Kapital, das darauf abzielt, positive Auswirkungen auf die Gesellschaft zu haben. Das umfasst nicht nur Kapital das gespendet wird, sondern auch investiert wird. Dies bedeutet in der Regel, dass auf Rendite verzichtet wird und stattdessen überschüssiges oder allgemein verfügbares Kapital in Organisationen investiert wird. Ich sehe mich nicht als derjenige, der das neue BlackRock baut, sondern meine Hoffnung ist, dass Menschen wie ich erste Impulse geben, die dann von anderen weiterentwickelt oder auf andere Weise umgesetzt werden.

 

Hast du einen Tipp für Menschen, die noch nicht viel Geld haben, aber trotzdem etwas Gutes tun möchten?

Was mich immer überrascht, ist, dass wir so einen großen Anteil an Menschen haben, die kaum oder nichts besitzen, aber von der Politik nicht einfordern, für faire Verhältnisse zu sorgen. Mit einer fairen Vermögensbesteuerung und Erbschaftssteuern könnten wir dafür sorgen, dass zwar nicht alle die gleichen, aber zumindest etwas gleichere Startbedingungen haben. Ich denke, dass auch Personen ohne ökonomisches Kapital eine politische Stimme haben. Und das ist, aus meiner Ansicht, der größte Hebel, um etwas für sich selbst zu erreichen.

 

Jetzt reinhören!

Wenn du noch mehr über Sebastians Medienfonds und Ansichten hören möchtest, kannst du dir das komplette Interview als Podcast anhören. Die Podcastfolge findest du weiter oben oder auf Spotify.

Bei Fragen und Anmerkungen schreib uns gerne unter ⁠community@bcause.com⁠.

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