Im Podcast “Das Neue Geben” haben Felix und Janina mit Ruth von Heusinger gesprochen. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Gespräch an einigen Stellen gekürzt und angepasst. Das vollständige Interview kannst du dir hier anhören:
Ruth von Heusinger ist engagierte Klimaschützerin, gemeinnützige Gründerin und Impact-Investorin. Nach ihrem abgeschlossenen Physikstudium entschied sie sich gegen eine Promotion und begann als internationaler Trainee bei Startkraft zu arbeiten. Dort war sie in verschiedenen Bereichen tätig, von der Kraftwerksdisposition in Düsseldorf über die Strommarktanalyse in Schwellenländern wie Oslo, Brasilien und den Philippinen bis hin zum Emissionshandel in Amsterdam. Nach ihrer Tätigkeit als Beraterin im Bereich Business Intelligence und Data Warehousing wechselte sie als Business Developer zu atmosfair und engagierte sich im Markt für freiwillige Klimaschutzmaßnahmen. Nach dem Erhalt eines größeren Erbes entschloss sich Ruth, ihre finanzielle Unabhängigkeit zu nutzen, um sich aktiv für den Klimaschutz einzusetzen. Im Dezember 2019 gründete sie die Non-Profit-Organisation ForTomorrow, die sich durch wirksame CO2-Kompensation für ein klimaneutrales Europa einsetzt. Dabei nutzt sie das europäische Emissionshandelssystem und investiert in klimaresiliente Aufforstungsprojekte in Deutschland. Um ihre Aktivitäten im Bereich Impact Investing zu bündeln, gründete sie 2023 Hanami Ventures. Mit ihrem umfassenden Hintergrund und ihrer Leidenschaft für den Klimaschutz inspiriert Ruth viele, sich aktiv für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen.
Klimaschutz ist für mich schon sehr lange ein Herzensthema. Bereits in der Schulzeit hatte ich einen sehr engagierten Lehrer, der uns das Thema näher gebracht hat. Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen, vor allem, weil das Problem noch lange nicht gelöst ist. Zum Thema Geld: Ich wollte immer finanziell unabhängig sein, weil ich sehr freiheitsliebend bin. Nach meinem Physikstudium habe ich in der Energiebranche und Beratung gearbeitet und immer ein gutes Einkommen gehabt. Vor etwa zehn Jahren habe ich dann ein größeres Erbe erhalten. Anfangs hatte ich Sorge, dass es mein Leben zu stark beeinflusst. Meinen Lebensstil änderte ich erstmal nicht, aber ich wechselte den Job, um für ein gemeinnütziges Klimaschutzunternehmen zu arbeiten. Denn ich wusste, dass ich kein hohes Gehalt mehr brauchte, um später finanziell unabhängig zu sein. Später wurde mir klar, dass ich dieses Privileg des Erbes noch stärker nutzen möchte, um den Klimaschutz aktiv voranzutreiben. So habe ich vor vier Jahren ForTomorrow gegründet, um Menschen und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, direkt hier in Europa CO2-Emissionen zu reduzieren. Viele CO2-Kompensationsprojekte finden im globalen Süden statt, aber hier in Europa gibt es ebenfalls Handlungsbedarf, denn hier ist der hohe CO2-Ausstoß. Mittlerweile ist ForTomorrow zu einem vierköpfigen Team gewachsen und ich habe die ForTomorrow Foundation über bcause gegründet. Denn das Thema Klimaschutz muss von vielen Seiten angegangen werden – es gibt nicht die eine Lösung. Seit einem Jahr bin ich auch im Impact Investing aktiv, weil ich denke, dass wir sowohl Non-Profit- als auch For-Profit-Ansätze brauchen, um den Klimawandel effektiv zu stoppen.
Kurz gesagt: Wir nutzen den verpflichtenden europäischen Emissionshandel und kaufen Emissionsrechte, um sie ungenutzt zu löschen. Dadurch wird der CO2-Ausstoß in der EU direkt reduziert, und Unternehmen müssen schneller transformieren. Das Geld geht dabei nicht verloren, sondern wird vom Staat in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert.
Um es anschaulicher zu erklären: Das Emissionshandelssystem lässt sich gut mit unserem Müllsystem vergleichen. Früher gab es keine Regelungen für den CO2-Ausstoß - ähnlich wie es bei der unkontrollierten Entsorgung von Müll war. Um dies zu ändern wurden Mülltonnen eingeführt - Ebenso müssen Unternehmen heute Emissionsrechte erwerben, um ihren CO2-Ausstoß zu “entsorgen”. Produzieren sie mehr Emissionen, müssen sie größere “Mülltonnen” kaufen. Der Clou bei diesem System ist, dass die Anzahl der Emissionsrechte begrenzt ist. Diese kaufen wir mit ForTomorrow vom EU-Emissionshandel, befüllen sie aber nicht mit CO2-Müll, sondern lassen sie ungenutzt verfallen. Dadurch reduzieren wir die gesamte Anzahl der Emissionsrechte und die Möglichkeiten für Unternehmen CO2 auszustoßen. Der Vergleich ist sehr passend, weil wir auch im Müll-Management eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der alles wiederverwertet wird. Langfristig müssen wir jedoch auch mehr CO2 aus der Luft holen. Um die 1,5-Grad-Grenze zu halten, müssten wir wieder auf 350 Parts pro Million CO2 in der Luft kommen, aktuell sind wir bei 420 Parts pro Million. Also rein durch die CO2-Reduktion können wir das Problem nicht lösen. Dafür verfolgen wir mit ForTomorrow einen naturbasierten-systemischen Ansatz, bei dem wir nicht nur Bäume pflanzen, sondern ganze Wälder aufforsten, um die Gesamtwaldfläche in Deutschland nachhaltig zu erhöhen.
Ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht und mich bei der Entscheidung an der Start-Up-Welt orientiert. In vielen Non-Profit-Organisationen wird rein ehrenamtlich gearbeitet - was ich bei ForTomorrow auch tue. Doch viele dieser Organisationen bleiben klein, weil ihnen die Arbeitskraft fehlt. Darum habe ich bei ForTomorrow von Anfang an ein Business-Modell integriert, damit Gehälter finanziert werden können und das Unternehmen skalierbar ist und wachsen kann. Denn um einen großen Impact zu haben, muss man wachsen. Das passiert leider bei vielen großartigen Initiativen nicht. Ich habe mich bewusst für den Non-Profit-Weg entschieden, um nicht in das Dilemma zu geraten, ob ich für den Profit oder den Klimaschutz arbeite. Bei Non-Profit ist ganz klar: Klimaschutz steht an oberster Stelle. Ähnlich sehe ich das bei meinem Engagement im Impact Investing: Ob ich als Business Angel investiere oder in die Gemeinnützigkeit spende - beides ist ein Investment in eine lebenswerte Zukunft.
Eine neue Studie vom PIK (Potsdam-Institut für Klimaforschung) zeigt, dass jeder Euro, den wir jetzt im Klimaschutz investieren, sechs Euro an Schäden verhindert, die sonst auf uns zukommen würden. Das ist natürlich gesamtgesellschaftlich betrachtet, also für die gesamte Gesellschaft ein gutes finanzielles Investment. Eine weitere Studie prognostizierte die Einkommensverluste, die auf uns zukommen, wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen. Wenn ich weiß, dass ich ohne Klimaschutz von meinem Gehalt in 20 Jahren nur noch halb so viel kaufen kann wie heute, wird es persönlicher - das ist ein klarer Anreiz, sich individuell zu engagieren, damit unser Wohlstand erhalten bleibt.
Genau, ich glaube nicht an die “EINE” Lösung, weshalb ich über bcause die ForTomorrow Foundation gegründet habe. Die ForTomorrow Foundation unterstützt natürlich ForTomorrow, doch darüber hinaus ist das Schöne dabei, dass ich verschiedene Lösungen integrieren konnte. So sind z.B. co2online dabei, die bei nachhaltigen Gebäudesanierungen unterstützen, und GermanZero, die sich auf politischer Ebene engagieren. Aber auch ClientEarth, die sich auf rechtlicher Ebene durch Klimaklagen einsetzen, ProjectTogether, für kooperative Klimaschutz-Ansätze, und natürlich ForTomorrow werden durch die Foundation unterstützt. Darüber hinaus ist auch Planet A dabei, das ist ein Venture-Capital-Fonds, der in nachhaltige Startups investiert, die Lösungen für den Klimaschutz bieten. Grade den Aspekt des Impact Investing finde ich sehr interessant bei der Foundation, sodass ein potenzieller Return auch wieder reinvestiert werden kann. Und genau das hat mich bei bcause überzeugt, dass es keine Trennung nach rein gemeinnützigen und For-Profit Organisationen gibt, sondern beide gemeinsam unterstützt werden können.
Letztes Jahr habe ich darüber hinaus Hanami Ventures für meine Impact Investing Aktivitäten gegründet. Ich habe beschlossen direkt einen Pledge zu integrieren, dass im Falle von Gewinnen davon 10% wieder gespendet werden. Das ist für mich eine Art Versicherung an mein eigenes Selbst in der Zukunft. Denn die aktuellen Krisen sind sehr zeitkritisch und jeden Euro, den wir eher investieren können, damit wir diese Krisen lösen, desto besser. Deswegen ist es so wichtig, dass alle schauen: Was kann ich noch mehr tun? Wo kann ich mich noch mehr für einsetzen? Und das Engagement, das ich auf bcause sehe, gibt mir wieder viel Hoffnung.
Wenn du noch mehr über Ruths Engagement und Ansichten hören möchtest, kannst du dir das komplette Interview als Podcast anhören. Die Podcastfolge findest du weiter oben oder auf Spotify.
Bei Fragen und Anmerkungen schreib uns gerne unter community@bcause.com.
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