Im Podcast “Das Neue Geben” haben Felix und Janina mit Christian Vollmann gesprochen. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Gespräch an einigen Stellen gekürzt und angepasst. Das vollständige Interview kannst du dir hier anhören:
Christian Vollmann ist Seriengründer, Business Angel und eine bedeutende Persönlichkeit in der deutschen Gründerszene. Nach seinem Studium arbeitete er unter anderem für die Samwer-Brüder an dem eBay-Klon Alando und gründete im Jahr 2003 das Dating-Portal iLove. Schnell fand er seine Leidenschaft in der Unternehmensgründung und es folgten die Partnervermittlung eDarling und die Videoplattform MyVideo. Nach dem erfolgreichen Verkauf dieser Unternehmen nutzte Christian den erzielten Gewinn, um als Impact Investor aktiv zu werden. So unterstützt er als Business Angel bis heute eine Vielzahl an Impact-Startups, die sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzen. Er ist Mitbegründer des Sozialunternehmens nebenan.de, das als Plattform lokale Gemeinschaften stärkt und den sozialen Zusammenhalt fördert. Sein aktuelles Projekt: Das Climate-Tech-Unternehmen C1 Green Chemicals, das innovative Lösungen für die Produktion von regenerativem Methanol entwickelt. Als Vorbild für soziales Engagement und unternehmerische Innovation wurde er 2017 vom Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. ausgezeichnet und inspiriert andere dazu, ihre unternehmerischen Aktivitäten mit einem positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu verbinden.
Ich habe mich in meinem Leben immer wieder neu erfunden. Zunächst war ich Digitalunternehmer und fasziniert vom Internet, etwa durch MyVideo und andere Projekte. Bei meiner ersten Impact-Gründung, nebenan.de, ging es uns um sozialen Zusammenhalt und wie hyperlokale Nachbarschaftsnetzwerke das fördern können. Heute nutzen drei Millionen Menschen die Plattform, um sich auszutauschen, zu helfen und Dinge zu teilen – und um wieder echte Nachbarschaft zu erleben. Vor drei Jahren bin ich dort ausgestiegen, weil ich einen neuen Kurs einschlagen wollte, stark motiviert durch meine Kinder. Mein ältester Sohn, damals zehn, begann, sich um den Klimawandel zu sorgen und stellte mir Fragen, auf die ich keine Antworten mehr hatte. Er wollte wissen, was ich als Unternehmer mache, und als ich erklärte, dass ich Probleme löse, fragte er: „Es gibt doch eigentlich nur ein großes Problem. Warum verschwendest du deine Zeit mit etwas anderem?“ Das hat mich angetrieben, aktiv zu werden. Schnell merkte ich jedoch, dass es als Digitalunternehmer schwierig ist, zur Lösung beizutragen. Wir haben sehr gute Wissenschaft, wir haben tolle Ingenieure, aber wir sind nicht mehr so gut darin, das zu vermarkten und vor allem zu skalieren. Daher entschied ich, dass ich als Company Builder den größten Hebel erzielen kann, indem ich genau dies tue und ein wissenschaftliches Team unterstütze. Mit C1 arbeiten wir an einem Climate Tech Startup, das die Methanolproduktion mithilfe von Quantenchemie neu erfindet. Das Potenzial reicht weit, aber zunächst konzentrieren wir uns auf Methanol. Warum Methanol? Wenn es regenerativ hergestellt wird, kann es die Schifffahrt defossilisieren und als Eingangsstoff in der chemischen Produktion genutzt werden.
Über Geld zu sprechen ist schwierig, das ist zumindest meine Wahrnehmung. Auch hierzulande ist es kein einfaches Thema: Wenn man Geld hat und es ausgibt, dann gilt man als großkotzig. Wenn man es nicht ausgibt, gilt man als geizig. Meine eigene Geldgeschichte begann in einfachen Verhältnissen. Wir waren nicht arm, aber es war klar, Geld ist etwas, das man sich erarbeiten muss. Meine Eltern konnten aus finanziellen Gründen nicht studieren, obwohl sie das Potenzial dazu gehabt hätten. Daraus haben sie den Schluss gezogen alles dafür zu tun, dass ihre eigenen Kinder die Bildung bekommen, die sie verdient haben. Das hat mir enorm viel bedeutet und sie unterstützten meinen Wunsch an einer Privatuniversität zu studieren. Sie erwarteten nie, dass ich ihnen das Geld zurückzahle, sondern eher, das gleiche für meine Kinder zu tun. Dadurch habe ich mich implizit sehr verpflichtet gefühlt, ihnen zu zeigen, dass sich dieses Investment in meine Ausbildung gelohnt hat. So begann ich, mich auf das Geldverdienen zu konzentrieren und habe noch während meines Studiums ein Praktikum bei Alando gemacht, dem Vorgänger von eBay Deutschland. Vorher hatte ich schon mein erstes Unternehmen gegründet und schnell gemerkt, dass mir das gut liegt und Spaß macht. Ich wollte bei der Internet-Revolution mitwirken und entschied mich, die Datingplattform ilove.de aufzubauen. Nachdem ich relativ früh anfing mein Geld zu investieren, hatte ich meinen ersten erfolgreichen quasi Business Angel-Exit bei Moneybookers. Für mich gilt schon immer: Geld, das du bekommst, musst du wieder in die Welt schicken, damit es arbeiten und unternehmerisch Wert schaffen kann. Weil Geld am Ende nur ein Mittel zum Zweck ist, um ein Ziel zu erreichen. Das sagt sich natürlich leicht, wenn man genug davon hat. Ich fühle mich entspannter, weil ich weiß, dass ich mein Geld selbst verdient habe und niemandem Rechenschaft schuldig bin, außer mir selbst.
Die Basics über Zinsen und Zinseszinsen hat mir meine Mutter, als gelernte Bankkauffrau, beigebracht. Große Aktienanlagen hatten meine Eltern jedoch nicht, da sie Aktien als riskant ansahen. Vor meinem ersten Erfolg war ich zu 100 Prozent Unternehmer und wollte einfach erfolgreich sein. Bei MyVideo steckte ich zeitweise 80 Prozent meines gesamten ersparten Vermögens. Die Plattform war in Deutschland sehr erfolgreich und profitierte von positiven Netzwerkeffekten, doch die Bandbreite war extrem teuer. Die Rechnungen stiegen bald in den sechsstelligen Bereich pro Monat, sodass ich MyVideo.fr trotz Wachstum abschalten musste, um MyVideo.de zu retten - Das kann man sich heute kaum vorstellen. Der Verkauf von MyVideo Ende 2007 an ProSiebenSat.1 war dann der Moment, in dem ich erstmals einen relevanten Betrag auf meinem Konto hatte und mir Gedanken über die Geldanlage machen musste. Ich brachte mir selbst bei, wie man investiert, und fokussierte mich auf Business Angel-Investments. Seit 2005 habe ich fast 100 Beteiligungen an Unternehmen getätigt, was im Schnitt fünf pro Jahr entspricht. Der zweite Bewusstseinssprung kam nach E-Darling, als ich mich fragte, warum ich eigentlich immer neue Firmen gründen wollte. Mein Kontostand stieg zwar, aber diesen abnehmende Grenznutzen von noch mehr Geld spürte ich immer mehr.
Je tiefer ich in die Themen eintauche, wie jetzt mit C1 in die Energiewende, desto mehr wird mir bewusst, wie herausfordernd das ist. Ich denke wir müssen Geduld haben und immer weiterbohren. Was es natürlich auch braucht sind Erfolgsgeschichten - Wir brauchen Vorbilder und Vertrauen. Und Vertrauen muss langsam über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden, indem wir konsistent das tun, was wir sagen. Es lässt sich nicht erzwingen. Wie Warren Buffett zeigt, wird dieser Compounding-Effekt über die Zeit enorm. Bei Megatrends wie dem Internet wurden kurzfristige Erfolge oft überschätzt, während die langfristigen Effekte unterschätzt wurden. Hätte man damals gesagt, wie groß Amazon, YouTube oder Google einmal werden würden, hätten viele das für unrealistisch gehalten. Wir sind noch am Anfang, aber das Problem beim Klimawandel ist, dass die Zeit drängt und wir leider viel zu spät angefangen haben.
Der Nachteil ist, dass es viel schwieriger ist, weil das Brett viel dicker ist. Der Vorteil hingegen liegt in der intrinsischen Motivation: Wir wollen aktiv daran mitwirken, die drängenden Probleme zu lösen, weil wir sehen, wie die Menschheit ohne Veränderung gegen die Wand fährt. Früher war meine Motivation eher ein „Chip on the shoulder“ – Geld verdienen, um zu beweisen, dass es sich gelohnt hat. Aber diese Motivation hätte mich nicht weit getragen. Hätten damals viel mehr Probleme im Weg gestanden, bin ich mir nicht sicher, ob ich durchgehalten hätte. Heute denke ich: Aufgeben ist einfach keine Option. Ich muss nicht einmal darüber nachdenken, warum ich morgens aufstehe. Bei C1 weiß jeder genau, was unser Ziel ist und was uns antreibt. Das ist der entscheidende Unterschied: Wir bohren diese dicken Bretter, weil wir unbedingt durch wollen. Der finanzielle Erfolg ist eher ein positiver Nebeneffekt, nicht das primäre Ziel. Und genau damit begeisterst du auch andere Menschen, ganz nach dem Motto: Wenn du übers Meer fahren willst, erkläre den Leuten nicht, wie sie ein Schiff bauen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem Meer.
Wenn du noch mehr über Christians Engagement und Ansichten hören möchtest, kannst du dir das komplette Interview als Podcast anhören. Die Podcastfolge findest du weiter oben oder auf Spotify.
Bei Fragen und Anmerkungen schreib uns gerne unter community@bcause.com.
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